Die Erbanlagen bestimmen mit, wie stark jemand Übergewicht ansetzt oder nicht. In den vergangenen Jahren haben Forschende rund hundert Gene und Genvarianten identifiziert, die für überflüssige Kilos mitverantwortlich sind. Allerdings lässt sich mit diesen Genen und Genvarianten nur knapp die Hälfte der erblich bedingten Fettleibigkeit erklären. Für die andere Hälfte sind demnach Faktoren verantwortlich, die zwar Teil der Erbsubstanz sind, bei denen es sich aber nicht um klassische Gene handelt.
ETH-Forschende unter der Leitung von Prof. Dr. Markus Stoffel (Zürich) haben nun einen weiteren, nicht klassisch-genetischen Risikofaktor für erblich bedingte Fettleibigkeit gefunden: ein Mikro-RNA-Molekül mit dem Namen Mikro-RNA 7, wie die ETH Anfang Oktober mitteilte. „Die Mikro-RNA 7 ist die erste Mikro-RNA, bei der wir einen Zusammenhang mit Fettleibigkeit aufzeigen konnten“, wird Prof. Stoffel in der Mitteilung zitiert. Zusammen mit seinem Team züchtete er Mäuse, denen die Mikro-RNA 7 in bestimmten Nervenzellen des Hypothalamus, dem Regulationszentrum zwischen Hormon- und Nervensystem, fehlt.
Vorerst neurodegenerative Krankheiten im Fokus
Diese Mäuse zeigten einen krankhaft gesteigerten Appetit und wurden fettleibig. Auch bei Menschen konnten die Forscher einen Zusammenhang finden: Zusammen mit britischen Wissenschaftlern werteten sie eine Genom- und Gesundheitsdatenbank aus, die 500.000 Personen umfasst. Jene mit genetischen Variationen auf den Chromosomen rund um die Bauanleitung für die Mikro-RNA 7 waren überdurchschnittlich schwer und groß. Dies, weil die besagten Nervenzellen der Betroffenen weniger Mikro-RNA 7 produzieren.
Zumindest theoretisch ließe sich die neue Erkenntnis auch in der Medizin nutzen. So könnten dereinst Therapien für Personen entwickelt werden, in deren Hypothalamus zu wenig Mikro-RNA 7 herstellt wird und die deshalb fettleibig sind. Die Forschenden gehen jedoch davon aus, dass diese noch recht jungen RNA-Therapien zuerst für neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer entwickelt werden, erst später dürften Therapien für Stoffwechselerkrankungen folgen.
Literaturhinweis:
LaPierre M, Lawler K, Godbersen S, Farooqi IS, Stoffel M: MicroRNA-7 regulates melanocortin circuits involved in mammalian energy homeostasis. Nature Communications, 29. September 2022, doi: externe Seite10.1038/s41467-022-33367-wcall_made
Quelle: www.medinlive.at