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Foto: stock_alexfamous/stock.adobe

Rekonstruktion eines
getunnelten Ohrläppchens

Fleshtunnel (Fleischtunnel) haben eine jahrhundertalte Tradition. So trug beispielsweise Ötzi einen Tunnel, der Pharao Tutanchamun und auch Buddha hatten erweiterte Ohrlöcher.

Bei vielen Naturvölkern wird die Tradition des Tunnels bis heute praktiziert, zum Beispiel mit den Lippentellern bei den äthiopischen Mursi und Surma oder bei den indischen Apatani mit geweiteten Nasenpiercings.
Den gedehnten Piercings werden unterschiedliche Bedeutungen zugeordnet. Zum einen drücken sie die Stellung des Trägers in der Hierarchie der Gruppe aus, zum anderen dient das Piercen als ein Initiationsritual der Kinder zur Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen. Das gestochene Loch wird im Laufe der Jahre weiter vergrößert. Gedehnte Piercings sind innerhalb des jeweiligen Volkes ein Schönheitsideal und gelten als äußerst attraktiv. Ebenso sind sie ein Statussymbol und Ausdruck großer Tapferkeit.

Modischer Trend
In den letzten Jahren ist das Tunneln zu großflächigen Löchern auch im „Mainstream“ unserer Gesellschaft angekommen. Hierzulande finden sich hauptsächlich Ohrlochtunnel. Diese werden über Wochen langsam mit Dehnungsstäben aus Holz oder Titan gedehnt. Die eingepassten Ringe können so immer mehr vergrößert werden (bis 70 mm). Da das Ohrläppchen hauptsächlich aus Fett- und Bindegewebe besteht, eignet es sich hervorragend für diese Prozedur.
Ein einmal gedehntes Loch bis max. 12 mm kann sich wieder zusammenziehen, sodass es am Ende optisch weitgehend unauffällig ist. Darüber hinausgehende Tunnel können nur durch operatives Entfernen des einmal verheilten Stichkanals rekonstruiert werden. Die Entfernung eines Fleshtunnels gilt nicht als medizinische Indikation und wird von den Krankenkassen nicht übernommen.

Übergroße Dehnung
Wird das Dehnen übertrieben, findet man oftmals um den Ring nur noch eine sehr dünne Gewebeschicht. Hier ist die Durchblutung mangelhaft und die Haut wird an den Außenstellen zu dünn. Es besteht die Gefahr, dass man den Ring aufgrund von Unachtsamkeit durch das Ohrläppchen durchreißt. Ist eine Operation angezeigt, muss der Behandler die individuellen Voraussetzungen (Tunnelgröße, Dicke der Haut) analysieren, um das geeignetste operative Vorgehen wählen zu können.

Patientenfall
In unserer Praxis stellte sich eine Patientin vor, deren getunneltes Ohrläppchen durchgerissen war (Abb. 1). Sie kam erst einige Tage nach dem Zerreißen des Bindegewebes zu uns. Da das Gewebe sehr stark gedehnt wurde, war von dem eigentlichen Ohrläppchen nicht mehr viel übrig geblieben (Abb. 2). In diesem Falle ging es nicht darum, einen übergroßen Tunnel zu verschließen, sondern der Patientin auch wieder ein Ohrläppchen zu formen (Abb. 3).
Wir haben nach der Entfernung der Hautlappen versucht, die Konvexität des Ohrläppchens wiederherzustellen (Abb. 4).
Fachmännisch durchgeführte Ohrläppchenkorrekturen zählen zu den Eingriffen, die mit einer hohen Patientenzufriedenheit einhergehen und die ein geringes Komplikationsrisiko aufweisen.
Von einem erneuten Stechen eines Ohrloches, geschweige denn eines Tunnels, haben wir der Patientin
bis auf Weiteres abgeraten.

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TEXT VON

Dr. med. Marion Krakor

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