Wie unterscheidet sich das Lipödem von einer einfachen Adipositas, das heißt von einer einfachen Fettgewebezunahme zum Beispiel durch zu viel Essen oder zu wenig Bewegung? Das Lipödem ist keineswegs immer Ausdruck von Übergewicht, daher ist eine alleinige Gewichtsreduktion zur Therapie auch nicht ausreichend und von einseitigen Abmagerungskuren ist abzuraten.
Beim Lipödem handelt es sich um eine Ansammlung von krankhaft veränderten Fettzellen in verschiedenen Regionen des Körpers. Bevorzugt an den Ober- und Unterschenkeln sowie Oberarmen. Befallen sein können allerdings auch Po, Hüfte und Unterarme. Die Fettzellen sind in ihrer Mikrostruktur entzündlich verändert und in ihrer Gesamtheit aufgequollen, was die deutlich erhöhte Schmerzhaftigkeit der befallenen Zonen sowie das schwere Gefühl in den Beinen erklären kann. Durch die typische Fettgewebevermehrung an den Beinen kann es auch zu Gangbild-Veränderungen kommen. So erzwingt die Zunahme im Bereich der inneren Oberschenkel oft bei den Betroffen eine X-Bein-Stellung, die langfristig zu Fehlbelastungen in Hüft- und Kniegelenken führen kann. Zudem ist eine deutliche Neigung zu blauen Flecken bei den betroffenen Patienten zu beobachten. Das Lymphgewebe der jeweiligen Körperregionen ist primär nicht krankhaft verändert, wird aber sekundär durch die gesteigerte Verletzlichkeit und die gestörte Entzündungsbereitschaft sowie durch die Schwellungsneigung des betroffenen Fettgewebes negativ beeinflusst.
Die Lipödem-Erkrankung kann in mehrere Typen und Stadien eingeteilt werden:
Typ I: Vermehrung des Fettgewebes an den Oberschenkeln (Reiterhose), Gesäß und Hüfte.
Typ II: Die Fettgewebevermehrung reicht bis zu den Knien, speziell an den Knie-Innenseiten kommt es zu einer deutlichen Ausweitung von Fettgewebewülsten.
Typ III: Das Lipödem erstreckt sich von der Hüfte bis zu den Knöcheln.
Typ IV: Das Lipödem betrifft die Arme bis zu den Handgelenken und die Beine bis zu den Knöcheln. Nur Hände und Füße sind noch nicht betroffen.
Typ V: Es hat sich ein Lipolymphödem ausgebildet mit sichtbaren Einlagerungen von Gewebe und Lymphen in den Hand- und Fußrücken, bis in die Finger und Zehen reichend.
Parallel zu den unterschiedlichen Ausprägungstypen, die den Befall der Körperregionen beschreiben, kann eine Stadieneinteilung im Hautbild erhoben werden:
Stadium 1: Feinknotige Hautoberfläche, sogenannte „Orangenhaut“.
Stadium 2: Grobknotige Hautoberfläche, dadurch bilden sich größere Dellen, die auch als „Matratzenphänomen“ beschrieben werden.
Stadium 3: Große, überlappende Hautwülste in den betroffenen Körperregionen.
Neben der Typen- und Stadieneinteilung der jeweiligen Lipödem-Erkrankung besteht bei vielen Patienten eine ganz normale Adipositas, die sich in einer deutlichen Zunahme des Fettgewebes am Unter- und Oberbauch zeigt.
Das große Problem der Lipödem-Erkrankung besteht darin, dass es im Laufe der Zeit durch das Stauungsphänomen im Bereich der Mirkozirkulation zur Ausprägung eines Lipolymphödems kommen kann, was das Krankheitsbild weiter verstärkt und zudem die Problematik, dass sich die Fettzellen in den vom Lipödem befallenen Bereichen einer auch noch so konsequent durchgeführten Diätmaßnahme entziehen. Daher gibt es oftmals nur zwei Therapieoptionen in der Behandlung des Lipödems: die konservative Therapieform des Lipödems und die operative Lipödem-Therapie.
Die konservative Lipödem-Therapie
Bei der konservativen Lipödem-Therapie gibt es grundsätzlich zwei Behandlungsansätze: Einerseits versucht man mithilfe einer manuellen oder apparativen Lymphdrainage den Lymphstau, vor allem in den unteren Körperbereichen (Ober- und Unterschenkel), anzugehen. Wenn man diesen schon nicht beseitigen kann, dann versucht man doch, ihn zu reduzieren. Dies gelingt zwar, aber der Erfolg währt oft nur für kurze Zeit, sodass die Patientin im Regelfall ein- bis zweimal in der Woche zur Lymphdrainage muss. Die andere Therapieschiene ist eine Unterstützung der Bindegewebestruktur der Beine mittels elastischer Flachstrickstrümpfe. Diese werden individuell vermessen und angepasst. Hierbei besteht eine erhebliche Beeinträchtigung der Betroffenen durch das tägliche An- und Ausziehen der Stützstrümpfe, was auch in den Sommermonaten zudem die Lebensqualität deutlich einschränken kann.
Die operative Lipödem-Therapie
Die konservative Therapie bringt oft nur eine kurzfristige Verbesserung und bedeutet eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität. Demgegenüber bedeutet eine erfolgreich abgeschlossene operative Lipödem-Therapie die Rückkehr zu einem ganz normalen Lebensalltag ohne Einschränkungen und ohne Stützstrümpfe, es sei denn, diese werden durch etwaig auftretende Krampfaderleiden vereinzelt notwendig.
Die Fettabsaugung im Rahmen einer Lipödem-Therapie muss verschiedene Kriterien erfüllen, die bei einer „normalen“ kosmetischen Fettabsaugung keine Rolle spielen. So sollte mit schlanken atraumatischen Kanülen achsengerecht abgesaugt werden, um eine starke Traumatisierung des Blut- und Lymphgefäßsystems zu vermeiden. Zudem sollte eine gewebeschonende Variante der apparativ unterstützten Fettabsaugung gewählt werden.
Eine Liposuktion mit gewebeaggressiven Methoden, so zum Beispiel mit der Ultraschall- oder Lasermethode, ist hierfür wenig geeignet.
Vibrationsverfahren mit pneumatischer Unterstützung
An der Lipödem Klinik an der Alster in Hamburg wird speziell zur Lipödem-Therapie ein besonders Verfahren eingesetzt: das Vibrationsverfahren mit pneumatischer Unterstützung. Hierbei handelt es sich um ein äußerst gewebeschonendes Verfahren, das Lymph- und Blutgefäße schont, sodass sich postoperative Hämatome und Schwellungen deutlich geringer ausprägen und die Lymphzirkulation langfristig nicht beeinträchtigt wird. Die Saugung wird mit schlanken, abgerundeten sogenannten atraumatischen Kanülen vorgenommen, wobei vor der Saugung eine modifizierte Lösung nach Klein in das betroffene Gewebe injiziert wird. So kann die operative Therapie im Anfangsstadium des Lipödem-Befalls sogar noch in örtlicher Betäubung und ambulant vorgenommen werden. Bei stärker ausgeprägten Bereichen muss auf eine Vollnarkose ausgewichen werden. All diese Patienten verbleiben eine Nacht in unserer stationären klinischen Betreuung.
In der Zeit nach der operativen Therapie muss jeder Patient ein Mieder im Bereich der Fettabsaugung tragen: zwei bis drei Wochen Tag und Nacht (es darf nur zur Toilette und zum Duschen ausgezogen werden) und dann noch weitere zwei bis drei Wochen halbtags.
Die postoperativen Schmerzen bewegen sich im Rahmen eines strengen Muskelkaters. Die häusliche Beweglichkeit ist unmittelbar postoperativ stets gewährleistet und das Befinden verbessert sich in den nächsten Tagen rasch. Wichtige Kontrolltermine sind nach ca. zehn Tagen, nach vier bis sechs Wochen, einem halben Jahr und einem Jahr nach der OP. Ein Folgeeingriff zur Fettabsaugung in anderen Körperarealen ist, soweit es die weitere Lipödem-Therapie erfordert, oftmals auch kurzfristig planbar, sodass die operative Therapie in einer überschaubaren Zeitabfolge abgeschlossen werden kann.
Fazit: Die operative Lipödem-Therapie als Sprungbrett in ein neues Leben
Sport und andere liebgewonnene Betätigungen sind wieder schmerzfrei möglich: Gymnastik, Fahrradfahren, wandern, Herumtollen mit den Kindern. Oftmals hört der behandelnde Chirurg: „Das war
die bisher beste Investition in meinem Leben!“ Die behandelten abgesaugten Areale bleiben schlank.
Wenn auch andere unbehandelten Lipödem-Zonen zusätzlich befallen werden, können auch diese mit einer Liposuktion dauerhaft therapiert werden. Aber in den meisten Fällen wählen die betroffenen Patienten nach Abschluss der operativen Therapie dauerhaft eine deutlich veränderte Ernährungsform, sodass keine weiteren Körperregionen mehr mit einer Fettabsaugung behandelt werden müssen und die Verbesserung von Figur und Beweglichkeit lebenslang vorhält.